13. Workshop 13./14. November 2015 - Beilngries
Erster Programmpunkt am Freitagnachmittag war der Vortrag von PD Dr. Andreas Schwirtz „Ganzheitliche Parodontitis – Behandlung mit ätherischen Ölen“. Der Mikrobiologe aus Herborn betonte zuerst die Bedeutung der Bakterien für unser Leben. Bakterien gehören zu uns. Nicht die Bakterien sind das Problem, sondern das Ökosystem. Bakterien können mit Hilfe von Botenstoffen über Artengrenzen kommunizieren und leben gerne zusammen. Der Referent erklärte die dreidimensionalen Strukturen des Biofilms, wodurch auch tiefere Schichten mit Wasser und Nährstoffen versorgt werden und die mikrobielle Nahrungskette. Als Mitte des 19. Jahrhunderts Zucker erschwinglich wurde, veränderte sich die dentale/orale Bakterienbesiedelung, was zu chronisch entzündlichen Erkrankungen wie der Parodontitis führte.
Anschaulich zeigte der Referent seinen Zuhörern auf, wie natürliche Mechanismen der Plaquekontrolle dienen:
- 20 antibakteriell und antiviral wirkende Speichelenzyme
- Mechanismen der Desquamation (Abschilferung)
- Abrasion
- Angeborene Immunität (Makrophagen, Neutr. Granulocyten, Dendritische Zellen)
- Erworbene Immunität (Antikörperbildung)
Anschließend stand die Parodontitis-Therapie im Mittelpunkt des Vortrags.
Sollten adjuvant Antibiotika eingesetzt werden? Die häufige Gabe von Antibiotika führt zu Resistenzen und das Risiko einer chronischen entzündlichen Darm-Erkrankung steigt deutlich an. Der Darm benötigt bis zu 4 Monate zur Regeneration nach einer Antibiose. Der Vortragende mahnte zu einem vorsichtigen Umgang mit Antibiotika und stellte die Frage in den Raum, ob es bei einer nicht lebensbedrohlichen Erkrankung sinnvoll sei, Antibiotika einzusetzen.
Als Alternative zu Antibiotika nannte PD Dr. Andreas Schwirtz Ätherische Öle. Sie wirken antibakteriell und sind im Gegensatz zu Antibiotika lipophil wie der Biofilm. Aromatogramme zeigen, welche ätherische Öle gegen welche Bakterien wirken. Von der Mundspüllösung Paradolium, die jeweils aus drei verschiedenen ätherischen Ölen, Wasser und einem Emulgator besteht, gibt es eine Serie von sechs Typen. Nach dem bakteriologischen Befund einer mikrobiologischen Untersuchung wird die Empfehlung eines der sechs Mundwasser-Typen auf der Webseite von Paradolium ausgesprochen. Ätherische Öle wirken nicht gegen Aggregatibacter actinomycetemcomitans, da der Erreger in das Gewebe eindringt.
Nach einer kurzen Kaffeepause stellte Dirk Rolf Gieselmann aus Berlin sein PerioPrevention-Konzept vor. Es handelt sich um ein Konzept zur Sekundär-Prävention. Durch eine Früherkennungs-Diagnose ist es möglich, den Patienten frühzeitig in ein „parodontales Pflegeprogramm“ zu überführen. Der orale Früherkennungstest „PerioSafe“ spürt die Anwesenheit des Enzyms aktive Matrix-Metalloproteinase-8, kurz aMMP-8, auf. Das Enzym aMMP-8 ist u.a. verantwortlich für den Abbau der Kollagenfasern des Zahnhalteapparates. Somit erkennt der Test frühzeitig den parodontalen Gewebeabbau.
Im Anschluss fand die Mitgliederversammlung statt. Der Vorstand trauert um Gründungsmitglied Dr. Herbert Michel. Nach den Berichten des Vorsitzenden Dr. F. W. Grelle, des Kassenwartes Dr. Ulrich Schnauder und des Kassenprüfers Dr. Ingo Lang dankte die Mitgliederversammlung den Vorständen und sprach die Entlastung aus. Im Zuge der Nachwahl wurden DH Birgit Hühn und ZMF Kathrin Bergner in den Vorstand aufgenommen.
Nun konnten die Teilnehmer zum gemütlichen Teil übergehen. Der Verein lud zu einem Sektempfang und zum gemeinsamen Abendessen ein. Es schloss sich ein gemütliches Beisammensein in der Hotelbar Kaiserbeck an mit Livemusik, einem erlesenem Glas Wein, Cocktailspezialitäten oder frisch gezapftem Bier.
Nach dem Laufen entlang des Rhein-Main-Donau-Kanals und einem ausgiebigen Frühstück startete am Samstagmorgen PD Dr. Adrian Kasaj, Oberarzt aus Mainz mit seinem Vortrag „Periimplantitis Therapie – Möglichkeiten und Grenzen“.Der Referent begann mit der Prävalenz der Periimplantitis: 10% der Implantate und 20% der Patienten, 5-10 Jahre nach Implantatinsertion (Mombelli et al.) sind betroffen. Das bedeutet jeder fünfte Implantat-Patient! Das Thema, auch als „die dunkle Seite der Implantologie“ bezeichnet, ist also aktueller denn je.
Nun ging Dr. Kasaj auf die Unterschiede von parodontalem und periimplantären Gewebe und von Parodontitis und Periimplantitis ein. Primärer ätiologischer Faktor der Periimplantitis ist die Akkumulation bakterieller Biofilme. Kofaktoren sind:
- Parodontalerkrankungen
- Genetische Faktoren
- Rauchen
- Mangelnde Präzision der Versorgung, Okklusale Fehlbelastung
- Chirurgische Fehler bei der Implantation
- Mukogingivale Verhältnisse
- Systemische Faktoren (Diabetes mellitus)
- Mikrospalt zwischen Implantatschulter und Abutment
Residuale oder rezidivierende parodontale Taschen stellen einen Risikofaktor für Periimplantitis dar (Lee et al.). Das Risiko, eine Periimplantitis zu bekommen, ist bei Rauchern um den Faktor 3,6 – 4,6 erhöht. (Heitz-Mayfield & Huyn-Ba G). Raucher zeigen bis zu 50% häufiger Implantatverluste im Vergleich zu Nichtrauchern (DeLuca et al.).
Nun referierte Dr. Kasaj über die Diagnostik der Periimplantitis:
- Sondierungstiefen, Rezessionen, Attachmentlevel
- Blutung auf Sondierung
- Plaque- und Entzündungsindizes
- Klinische Bewertung der Osseointegration (Mobilität)
- Radiologische Diagnostik
- Mikrobiologische Untersuchung
- Periimplantäre Sulkusfließrate
Bei der Sondierung eines Implantats wird das epitheliale Attachment verletzt, allerdings ist es nach 5 Tagen wieder komplett regeneriert.Daraufhin wurden mögliche Therapieschritte diskutiert, meist angelehnt an die Parodontitis – Therapie. Die nichtchirurgische Therapie ist ausreichend für die Heilung der periimplantären Mukositis, aber nicht ausreichend für die Behandlung der Periimplantitis. Auf der anderen Seite lässt auch die Effektivität der chirurgischen Periimplantitistherapie zu wünschen übrig.Deshalb ist die Prävention so bedeutend. Es ist äußerst wichtig, es gar nicht zur Periimplantitis kommen zu lassen.
Abschließend folgte Regina Kraus, ZMV und Praxismanagerin aus Greding. Sie referierte über Abrechnung prophylaktischer Leistungen, zeigte Wege auf, die Abrechnung zu optimieren und den Prophylaxeshop richtig zu gestalten. Die Referentin betonte die Bedeutung eines Praxiskonzepts, angefangen von den Qualifizierungen der MitarbeiterInnen, über Kommunikation, Praxisausstattung, Organisation und Interaktion im Team bis hin zu betriebswirtschaftlichen Aspekten. Regina Kraus mahnte zur genauen Dokumentation. Außerdem dürfen prophylaktische Leistungen für Kinder nicht vernachlässigt werden.
Eine wieder sehr gelungene Tagung in Beilngries endete mit einem gemeinsamen leckeren Mittagsimbiss.
Dr. Axel Cerny