8. Fortbildungstage 14./15. März 2014 - Schweinfurt

Am 14. und 15. März 2014 fanden die 8. Fortbildungstage des Vereins Zukunft Prophylaxe unter dem bekannten Leitthema »Brennpunkt Prophylaxe« statt. Als neuer Tagungsort wurde das Hotel und Kongresszentrum Mercure Maininsel in Schweinfurt gewählt.

Der Vorsitzende Dr. Friedrich Grelle begrüßte die mehr als 170 Tagungsteilnehmer  in diesem schönen Kongresszentrum bei herrlichem Sonnenschein und schon fast frühsommerlichen Temperaturen und führte in die umfangreichen Tagungsthemen ein.

Im ersten Vortrag berichtete Dr. Dirk Kuhlmeier vom Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig über die Entwicklung einer integrierten Diagnostikplattform zum parallelen quantitativen Nachweis von elf relevanten Leitkeimen, die bei der Entstehung der Parodontitis eine wichtige Rolle spielen. Es handelt sich um ein Projekt der Becit GmbH und des Fraunhofer Instituts, dessen Ziel die Entwicklung einer Patienten nahen Diagnostik bezüglich von elf Parodontitis-Keimen ist. Das Ergebnis steht dann in 30 bis 60 Minuten zur Verfügung im Gegensatz zum Zentrallabor mit 3-5 Tagen. Diese neue Technik kann auch für andere Keimnachweise in anderen Einsatzgebieten genutzt werden.

Hierzu entgegnete Prof. Dr. Christof Dörfer aus Kiel in seinem Referat »Parodontitistherapie mechanisch, biologisch und chemisch«, dass die molekularbiologische Diagnostik zurzeit keinen Wert für Diagnostik und Therapie habe. Der Biofilm ist eine höchst effektive und robuste Lebensform aus unbekannt vielen Spezien.: "Dann messen wir 11 Keime".
Biofilme sind nur vorübergehend beherrschbar: "If you can’t beat them, ... coorporate with them!". Bakterien gehören zu uns, wir sollen und können sie nicht eliminieren, sondern müssen richtige Rahmenbedingungen herstellen. Der Referent erklärte außerdem die ökologische Plaquehypothese:

Die Plaque ist ein funktionierendes Ökosystem, sie ist physiologisch und symbiotisch. Erst eine "ökologische Katastrophe" macht die Plaque pathogen. Außerdem erfuhr die Zuhörerschaft, dass die mechanische Plaque-Entfernung bei sachgerechter Anwendung sicher und effektiv ist. Für die chemische Plaque-Kontrolle bescheinigt Dörfer keine relevante langfristige Wirksamkeit. Eine Antibiotika-Therapie hält der Referent nur bei schwereren Fällen für sinnvoll. Bezüglich der biologischen Plaquekontrolle mittels Probiotika sei die Datenlage zu gering, um eine klinische Signifikanz zu erkennen.

Nach einer Pause und der Möglichkeit, die umfangreiche Dentalausstellern mit 16 Anbietern zu besuchen, erläuterte Prof. Dr. Rainer Buchmann aus Düsseldorf seine Konzeption einer Patienten gerechten Parodontal-Therapie. Der Referent sieht in der Parodontal-Therapie die Wiederherstellung der Deckschichten ("Körperschutzzonen") und die Verhinderung einer vorschnellen Gefäßalterung. "Infektionsschutz und Hygiene fördern die Lebenserwartung."

Buchmann betonte die notwendige Beurteilungsfrist zur Zahnerhaltung von drei bis sechs Monaten: "Erst sauber machen, dann abwarten, dann gucken!". Außerdem nennt der Referent die funktionelle Belastung einen Beschleuniger einer chronischen Entzündung.

Anschließend trat Prof. Dr. Renate Deinzer aus Giessen vor das Auditorium mit dem Thema "Psychologie parodontaler Erkrankungen": Bei einer Gingivitis führt ein verlängerter Stress zu einer inflammatorischen Verstärkung. Bei akutem Stress fällt die Wirkung geringer aus. Außerdem zeigen Studien, dass Mundhygiene im Stress vernachlässigt wird. Depression und Angst führen zu ähnlichen Veränderungen wie der Stress.

Dann sprach Frau Prof.Deinzer über das Mundgesundheitsverhalten. Zunächst wurden die allgemeinen Einflussfaktoren für das persönliche Mundgesundheitsverhalten erklärt: Entscheidungsbalance (Pros und Contras), Selbstwirksamkeitserwartung (die eigene Erwartung, aufgrund eigener Kompetenzen eine gewünschte Handlung erfolgreich durchführen zu können), subjektive Norm (persönlicher Maßstab, zum Beispiel Zahnseide ist für Patienten nicht normal), motorische Fähigkeiten per se und schließlich Wissen.

1000 Personen wurden zur ihrem Wissen um Mundhygiene gefragt:

  • 35% der Befragten können keine geeignete Bürsttechnik beschreiben,
  • keine Person konnte die Bass-Technik beschreiben,
  • 33% glauben, dass man die Zähne besonders fest putzen muss, um sie zu reinigen,
  • 61% glauben, dass zur Vorbeugung einer Parodontitis insbesondere die Kauflächen gereinigt werden müssen.

Als Fazit ist festzustellen, dass die Patienten zum Putzen motiviert sind, aber zu wenig wissen, keine ausreichenden Hygienefertigkeiten besitzen und mehrheitlich keine Approximalhygiene betreiben.

Hinsichtlich der Fertigkeitsvermittlung, haben Studien gezeigt, dass Computerpräsentationen prinzipiell geeignet sind, die Fones-Technik effektiver und besser akzeptiert wird als die Bass-Technik und Zahnseide noch wenig angenommen wird. Außerdem hilft es, "Face to Face" zu demonstrieren.

Bezüglich der Mundhygieneanforderungen muss bei den Patienten nachfragt werden, was angekommen ist, die Fertigkeiten werden trainiert und geprüft. Weiterhin muss das Ziel realistisch sein und die Erfolge sollen erlebbar gemacht werden.

Am Freitagabend lud der Verein zu einem sehr köstlichen Abendessen ein, anschließend spielte die Band ORANGE G, eine Reggae-Rockformation mit dem Vorstandmitglied Dr. Ralph Wimmer am Schlagzeug.

Der Samstagmorgen startete mit Gedanken vom Vorsitzenden Dr. Friedrich Grelle über die Bedeutung von Ritualen, auch für die Zahnarztpraxis.

Im ersten Vortrag des zweiten Fortbildungstages referierte Prof. Dr. Johannes Einwag aus Stuttgart über "die neue Herausforderung - Prophylaxe peri-implantärer Entzündungen" und betonte, dass es zum Thema Prophylaxe bei Implantatpatienten keine evidenzbasierten Daten gibt.

Zunächst sprach Einwag über die Ätiologie der periimplantären Entzündungen:

  1. Periimplantäre Erkrankungen sind Biofilm-induzierte Erkrankungen
  2. Die Biofilmbildung auf Implantaten unterscheidet sich nicht von dem auf Wurzeloberflächen. Sie wird verstärkt durch die Oberflächenbeschaffenheit der Implantate, Titan ist biokompatibel.
  3. Die periimplantäre Mukositis unterscheidet sich nicht von der Gingivitis.
  4. Die Periimplantitis unterscheidet sich zur Parodontitis. Das Saumepithel ist noch gleich, aber die supracrestalen Fasern sind am Zahn deutlich stabiler als am Implantat. Häufiges Sondieren am Implantat erhöht die Gefahr der Periimplantitis.

Folglich ist ein intensiverer Schutz nötig, also die Prophylaxe besonders wichtig: Interdentalbürstchen, Einbüschel-Bürstchen, Implantatfloss. Im Bereich der glatten Oberflächen des Abutments funktioniert es.

Für Einwag heißt Erfolg: "Statt spektakuläre Implantat-Operationen, in der Nachsorge dicke Bretter bohren!"

Anschließend folgte Dr. Christoph Ramseier aus Bern mit "Motivation - der Schlüssel zum Erfolg". Anschaulich zeigte der Referent seinen Zuhörern auf, wie sie ihre Patienten für eine Sache besser motivieren können, doch Veränderungen benötigen Zeit. Am Anfang steht die Patientenbindung, dabei ist "DANKE" wichtig:

  • Druck abbauen,
  • Augenhöhe einnehmen,
  • Neutral sein (keine Wertung),
  • Kontrolle übergeben (zum Beispiel Hand heben für Pause),
  • Empathie zeigen (ausreden lassen, dem Patienten folgen, den Patienten verstehen).

Die Informationen sollten in Fragesätzen formuliert werden. Hinsichtlich der Motivation führte der Referent am Beispiel der Raucherentwöhnung fort, wie auf Widerstände des Patienten zu reagieren ist, warum das Reflektieren so wichtig ist, die magische Frage "Was gibt es für Vorteile, sich zu verändern?". Anschließend ist es zielführend, die Motivation zu verstärken und die Selbstwirksamkeit (siehe oben) zu erhöhen. Danach folgt die Aktion, in unserem Beispiel der Ablauf der Raucherentwöhnung. Zuletzt kommt das Bekräftigen, Loben, Gratulieren.

PD Dr. Ralph Rössler aus Ludwigshafen startete sein Thema "Kommunikation im Biofilm" mit dem Satz: "Nicht alles, was logisch ist, ist biologisch!"

Der Biofilm verfügt über ein perfektes Kommunikationssystem. Durch das Deep Scaling reduziert der Behandler nicht den Biofilm, sondern mischt ihn neu durch, dadurch ändert sich die Kommunikation. Um es mit einer Schulklasse zu vergleichen, heißt es, die Schwätzer werden auseinander gesetzt.

Bakterien verhalten sich im Biofilm anders als einzeln. Der Biofilm kann mechanisch, nicht aber allein chemisch zerstört werden. "Wir sollen biologisch denken und mechanistisch gut arbeiten!" Ziel der Parodontitis-Therapie ist es, entzündliche Veränderungen aufzuhalten, wobei die Menge des Biofilms fast gleich bleibt.

Nun folgte der Vortrag "Der empfindliche Zahn" von Prof. Dr. Nicole Arweiler aus Marburg. Der empfindliche Zahn ist nicht mehr, wie früher beschrieben, ein Zustand, sondern eine Krankheit mit kurzem, scharfen Schmerz, der thermisch, osmotisch (Süßigkeiten), chemisch (Säuren) oder taktil (Sondierung, Berührung) ausgelöst wird und nicht durch eine andere Krankheit wie zum Beispiel Karies entstanden ist. Der empfindliche Zahn kommt zu 78% bei Parodontal-Patienten vor und erfährt eine steigende Tendenz, da eigene Zähne bis ins hohe Alter erhalten werden und der Konsum von erosiven Getränken und Speisen zunimmt. Ursachen für das für den Schmerz verantwortliche freiliegende Dentin können sein:

  • Rezessionen durch die Parodontal-Therapie,
  • Rezessionen durch die Parodontitis selbst,
  • nicht entzündliche Rezessionen,
  • Lifestyle (falsche Putztechnik, zu hoher Abrasionswert von Zahnpasten, saure Ernährung),
  • Reflux, Sodbrennen, Bulimie (mit anschließendem Putzen),
  • Attrition (natürlicher Abrieb, selten),
  • Knirschen,
  • Arbeit, Hobby (Arbeiter in Batteriefabriken, Weintester, Schwimmer),
  • Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH).

Über den Pathomechanismus des schmerzhaften Zahnes gibt es drei Hypothesen.

Wegen der Gefahr der Vernachlässigung der Mundhygiene mit ihren Folgen ist Therapie notwendig, folgende Therapiemöglichkeiten wurden besprochen:

  • Erosionsprävention: weniger saure Ernährung, Zähneputzen ca. 1-2 Stunden nach Erosionsreiz, Hilfe zur Neutralisierung durch Milch, Käse, Kaugummi, Mundspüllösungen,
  • Abrasionsprävention: adäquate Mundhygiene, geeignete Putztechnik,
  • Attritionsprävention: Funkionelle Therapie,
  • spezielle Zahnpasten (ideale Träger, da tägliche Applikation),
  • spezielle Mundspüllösungen,
  • Fluorid (CaF-Deckschicht ist „Opferschicht“, löst sich bei nächstem Säure-Angriff auf),
  • Dentinadhäsive (Film auf der Oberfläche),
  • invasive Therapie (Füllung bei keilförmigen Defekten),
  • Rezessionsdeckung, wenn angezeigt.

Nach der Mittagspause mit einem reichhaltigen und gutem Buffet und der letzten Möglichkeit, mit den zahlreichen Ausstellern ins Gespräch zu kommen, stand die "Kiefergelenksprophylaxe" auf dem Programm der Schweinfurter Fortbildungstage.

Den Anfang bestritt Dr. Oliver Gerlach aus Erlangen mit seinem Referat "CMD in der Sichtweise der traditionellen chinesischen Medizin". Gerlach gab Einblicke in die traditonelle chinesische Medizin (TCM), deren diagnostische und therapeutische Verfahren, speziell im Hinblick einer Kraniomandibulären Dysfunktion. Fehlregulationen führen zu skelettalen und muskulären Fehlhaltungen die sekundär Fehlpositionen des Unterkiefers hervorrufen können. Durch Aufhebung der Blockaden, z.B. durch Akupunktur, werden die Fehlhaltungen und Fehlpositionen gelöst. Am Ende des Vortrags zeigte er dem Publikum Techniken mit CMD an einer Patientin aus dem Auditorium.

Den Abschluss der hoch interessanten Tagung in Schweinfurt bildete Prof. Dr. Dr. Georg Meyer mit seinem Vortrag "CMD aus der Sicht der klassischen Therapie". Der Referent sprach ausführlich über die Parafunktionen als ätiologischer Faktor kraniomandibulärer Dysfunktionen. In der Ruheschwebelage kann nichts passieren. Verrücktspielende Muskeln führen zur Funktionstörung. Hier ist das Ziel, die Muskulatur zu entspannen und zu rekoordinieren.

Des Weiteren zitierte Meyer eine Studie von Professor Kobayashi. Diese untersuchte die Auswirkungen eines gesetzten okklusalen Traumas:

  • erhöhter Muskeltonus und mehr Zahnkontakte,
  • geringere Anzahl von Tiefschlafphasen,
  • vermehrte Adrenalinausschüttung,
  • gesteigerte Schlafapnoe-Phasen,
  • unausgeschlafene Probanden,
  • verminderte Leistungsfähigkeit,
  • Traumatisierung der Kiefergelenke.

Die Tagung endete mit Danksagungen von Dr. Friedrich W. Grelle an die Tagungsteilnehmer, vor allem an den Fortbildungsreferenten Dr. Christian Schubert, von dem der Großteil der Organisation der gelungenen Tagung erledigt worden war und mit der Vorankündigung des 12. Workshop in Beilngries am 14. und 15. November 2014.

Dr. Axel Cerny

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