5. Fortbildungstage 04./05. März 2008 - Kloster Banz

Dass wir als Verein das Tagungsthema "ZUKUNFT PROPHYLAXE - PROPHYLAXE DER ZUKUNFT" richtig gewählt hatten, beweist die Zahl von 162 interessierten Teilnehmern.

In klösterlicher Abgeschiedenheit und eingebettet in die hügelige fränkische Landschaft liegt Kloster Banz, ein barockes Juwel, meisterlich restauriert. Und wo einst Mönche des Benediktinerordens lebten, ist heute eine beliebte Stätte für Tagungen entstanden. Erhalten geblieben ist aber der klösterliche Charakter des Ortes, und das macht seinen Charme aus.

Da ist die Abgeschiedenheit des Tagungsortes, da sind die Zimmer, in denen die Tagungsteilnehmer wohnen, die einfach ausgestattet an die mönchischen Zellen erinnern mögen, nicht komfortabel, aber sehr sachlich und angenehm, da sind die Tagungsräumlichkeiten mit allen technischen Möglichkeiten, die man heute erwarten kann, und schließlich ist es die angenehme Gastlichkeit, die dieses Kloster Banz den Tagungsteilnehmern bietet. Schon traditionell veranstaltet der Verein ZUKUNFT PROPHYLAXE E.V. alle zwei Jahre am ersten Wochenende im April seine Fortbildungstage in Kloster Banz. Ein besonderes Anliegen dieser Tagung ist es, Zahnärzte und an Prophylaxe interessierte Mitarbeiterinnen der Zahnarztpraxis zu einer Tagung mit einem Generalthema zusammenzuführen.

Gute Tagungsatmosphäre, hochinteressante und breit gefächerte Vorträge zum Thema, gaben eine wissenschaftlich guten Rahmen. Zusätzlich hatten mehrere Firmen Stände aufgebaut, die direkt im Vortragssaal installiert waren, so dass auch die Standbetreuer/innen am wissenschaftlichen Programm teilnahmen und während der Pausen unmittelbar und aktuell zu ihren Produkten beraten konnten. Schließlich ist es ein Anliegen unserer Tagung, dass sich die Teilnehmer entspannen und auch einander näher kennen lernen können. So fand am Abend des ersten Tagungstages ein gemeinsames festliches Essen statt, wobei als Zwischeneinlage die Gruppe "Aqua e Vino" aus Würzburg mit Gitarrenmusik und meisterlich getanztem Flamenco eine feurige Darbietung brachte. Es ist auch ein Markenzeichen unserer Veranstaltung, was letztlich auch die Atmosphäre dieser Tagung widerspiegelt, dass immer am Samstag zu einem Morgenlauf eingeladen wird, der von einer erstaunlich großen Anzahl von Teilnehmern auch gern angenommen wird.

Die Tagung begann um 14:00 Uhr mit den Eröffnungsworten unseres Vorsitzenden, Dr. Friedrich Grelle, der in das umfangreiche Tagungsthema einführte.

Dann sprach als erster Referent Professor Dr. Christoph Dörfer aus Kiel in einem schon fast visionären Vortrag zum Thema "Erfolgreiche Parodontitistherapie - ist das Immunsystem der Schlüssel zum Erfolg?" Das Parodont ist die einzige Stelle des Körpers, wo als Folge der Evolution eine Öffnung im Epithel besteht, und die grundsätzliche Frage muss gestellt werden, warum aus gesundem Parodont krankes Parodont wird? Dazu existieren verschiedene Pathogenesemodelle.

Bakterien der Mundhöhle sind keine amorphe Masse, sondern kommunizieren miteinander und schaffen sich ihren bakteriellen Lebensraum. Diese Erkenntnis bedeutet auch die Abkehr vom Denken, dass nur schlechte Mundhygiene Parodontitis verursacht. Der klinisch "normale" Ablauf: viel Plaque - Gingivitis (Parodontitis) funktioniert nicht immer. Es gibt auch die Variante: keine Plaque - dennoch Gingivitis oder auch: viele Plaque - keine Gingivitis.

Zwei Parodontitismodelle sind denkbar:

  1. lineares Modell mit Einflüssen aus Umwelt, erworbenen Risikofaktoren und genetischen Komponenten
  2. stochastisches Modell mit psychosozialen/habituellen, morphologisch/ mikrobiologischen und infektiologisch/inflammatorischen Risikofaktoren.

In der Praxis funktioniert in aller Regel das lineare Modell. Nur bei Problemfällen, die nicht beherrschbar sind, muss das immunologische Modell bedacht werden. Gingivitis ist identisch mit einer verzögerten allergischen Reaktion. Dabei besteht eine Abwehrachse aus unspezifischer und/oder spezifischer Immunität.  Allerdings sind auch hier die Grenzen fließend. Rückschlüsse auf die Parodontitis lassen die Erkenntnis zu, dass dabei die zelluläre und die humorale Abwehr in den Vordergrund treten. Wichtig ist die Kernaussage, dass bei einer Parodontitis in großer Zahl T- und B- Lymphozyten zu finden sind. Es ist bekannt, dass B-Lymphozyten die Läsionen vorantreiben. Die Wirkung der T-Lymphozyten ist weitgehend unbekannt. Zumindest aber sind nach einer ordnungsgemäßen PA - Therapie die Irritationen im Immunsystem beseitigt und die Lymphozytensituation wieder normal. Inwieweit Viren am pathologischen Geschehen beteiligt oder gar dafür verantwortlich sind, muss noch geklärt werden. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass momentan Bakterienteste noch zu wenig aussagekräftig sind. Zum Problem humorale Immunantwort sagte der Referent, dass es gegen alle Parodontalpathogene Antikörper gibt. Daraus ergibt sich auch die unterschiedliche Interpretation zum Hohen Titer, der gefunden wird. Er kann sowohl eine positive Immunreaktion sein oder ein Zeichen dafür, dass der Organismus die eigentlichen Antigenproduzenten nicht erreichen kann.

Daraus resultierend muss die Sinnhaftigkeit der full mouth desinfection (fmd) neu bewertet werden. Das Prozedere dieser Behandlung will eine Reinfektion vermeiden. Das hat sich in der Praxis nicht bewahrheitet, da kein Hoher Titer nachgewiesen werden kann. Vielmehr ist der Hohe Titer eher ein umgekehrter Effekt, indem die Antigenproduzenten nicht erreicht werden. Die Hoffnung, dass durch die fmd innerhalb von 24 Stunden ein Booth - Effekt erreicht wird, hat sich nicht erfüllt. Zum Problem Immunisierung gegen Parodontitis wurde ebenfalls eingegangen. Was im Tierversuch funktioniert (Co - Immunisierung) ist beim Menschen nicht machbar, da Immunisierung nur funktioniert, wenn Krankheit durch einen Erreger ausgelöst wird. Daher ist es weiterhin nur Hypothese, Schwangerschafts - oder Herzinfarktrisiko durch Immunisierung zu senken. Die momentane Endkonsequent der Parodontitisprophylaxe aus immunologische Sicht ist eher pragmatisch.

Eine dauerhafte Entzündungsunterdrückung und statistisch signifikant höherer Attachmentgewinn sind denkbar durch lebenslange Dauermedikation von Doxycyclin (20 mg/Tag). Eine Raucherentwöhnung ist sehr zu empfehlen, denn eindeutig hat Nikotin Einfluss auf das Immunsystem. Die Kollagenaseproduktion wird gefördert, wobei dieser Mechanismus wiederum durch die Gabe von Doxycyclin unterbrochen werden könnte. Knochenabbau kann durch Bisphosphonade blockiert werden. Sie binden die Hydroxylapatitkristalle des Knochens und verhindern deren Auflösung durch Osteoklasten. Nebenwirkung sind mögliche Nekrosen lokalisiert auf den Kieferknochen.

Die Quintessenz dieses sehr intensiven Vortrages war, dass die Hörer eine Ahnung von den Visionen in der Zahnmedizin bekamen und dass vom Referenten eindeutig umrissen wurde, dass viele immunologische Prozesse gesichert sind, aber vieles noch zu erforschen ist. Das klare Statement, die Zeit ist noch nicht reif für eine immunologische Behandlung, aber Risikofaktoren sollten bedacht werden und Problempatienten auch unter dem Aspekt der Immunologie einer Behandlung zugeführt werden.

Frau Prof. Dr. Nicole Arweiler referierte sehr umfassend und in gewohnt didaktischer Exaktheit über "Die Anwendung von Chlorhexidin zur Prophylaxe und Therapie". Ein Vortrag, der insbesondere für die zahnärztlichen Mitarbeiterinnen eine wesentliche Wissensbereicherung gewesen sein dürfte.

Antibakterielle Wirkstoffe werden als Unterstützung der mechanischen Mundhygiene (Zähneputzen, Zungenreinigung, Zwischenraumhygiene) akzeptiert, da die meisten Menschen diese nicht ausreichend durchführen oder in bestimmten Situationen nicht adäquat durchführen können. Insbesondere bei Behinderten oder beim Nachlassen manueller Fähigkeiten (z. B. im Alter) sollten unbedingt antibakterielle Maßnahmen zur Unterstützung der Mundhygiene angewendet werden.

Gerechtfertigt wird diese "Chemoprophylaxe" zum einen durch die hohen Kosten, die - bei unzureichender Mundhygiene - Zahnbehandlungen verursachen, zum anderen durch die Erkenntnis, dass dentale Erkrankungen einen weit reichenden Einfluss auf die Gesamtgesundheit haben können.

Der Wirkstoff Chlorhexidin gilt als Mittel der Wahl, er lagert sich an die negativ geladenen Anteile von Zahnoberflächen (Proteine der Pellikel) und Mucosamembranen an, so dass er bereits die Bildung der dentalen Plaque unterbinden kann, hauptsächlich aber den Bakterienstoffwechsel hemmt bzw. zu einer völligen Zerstörung der Bakterienzellen führen kann. Mundspülprodukte in 0,1-0,2% Konzentration gelten als Goldstandard, sie können in bestimmten Situationen das Zähneputzen für kurze Zeit komplett ersetzen. Auf Grund von Nebenwirkungen (Verfärbungstendenz, mögliche Geschmacksveränderungen) sind sie nicht für den Dauergebrauch, sondern eher zur "kurmäßigen" Anwendung (etwa 14-30 Tage) empfohlen. Studien zur Pharmakokinetik bescheinigen dem Chlorhexidin eine sehr geringe Toxizität sowie keinerlei Teratogenität. Außerdem zeigt sich nach der Keimzahlsenkung mit Chlorhexidin in der Mundhöhle nach gewisser Zeit wieder ein ähnlicher Bakterienaufwuchs und kein reduziertes Ansprechen der Bakterien auf Chlorhexidin, so dass keine pathologische Verschiebung der Mundhöhlenflora zu befürchten ist. Dieser Goldstandard, vor Jahren nur bei wenigen Produkten vorhanden, findet sich heute in zahlreichen Produktformulierungen, in unterschiedlichen Konzentrationen, in Kombination mit Fluorid sowie in zahlreichen Darreichungsformen wie Mundspüllösung, Zahnpaste, Gel, Lack und Spray.

Dr. Stefan Neumeyer aus Eschlkam sprach über das Thema "Vermeidung der Periimplantitis"

Ein in jeder Beziehung ungewöhnlicher Vortrag, weil er das Auditorium zunächst mittels eines Videoclips in die Gletscherwelt der Alpen entführte. Nach der Schönheit und Perfektion dieser Bilder herrlicher, unberührter Natur kam der Schwenk zur Schönheit der Zähne. Dabei wurden Beispiele gezeigt von wunderschönen, primär gesunden Zahnreihen. Weiter zeigte der Referent im wahrsten Sinne des Wortes sanfte Rekonstruktionen aus Keramik, die keine oder fast keine Substanz zerstören, sondern tatsächlich nur ästhetisch perfekt korrigieren. Diese Gedankengänge fortgesetzt, müssen biologische Stabilität und hohe Ästhetik auch bei Rekonstruktionen mittels Implantaten erzielt werden können bei perfekter Einheilung und perfekter Weichteilsituation.

Periimplantitis will der Referent aus seiner Sicht der Dinge und in seiner Tätigkeit als Implantologe nicht akzeptieren. Dazu stellte er an Hand seines Implantatsystems auch sein Implantatkonzept vor, das in der Regel die Sofortimplantation und die provisorische Sofortversorgung vorsieht. Die dargestellten Fälle sprachen unbedingt für diese Methodik, wodurch nach der Meinung des Referenten immer die Knochenstrukturen erhalten bleiben, ein  perfekter weichgeweblicher Sulkus um das Implantat entsteht und die absolute Entzündungsfreiheit garantiert wird. Problematische Fälle, auch solche mit Knochentransplantation oder Augmentationen wurden nicht erwähnt.

"Die antimikrobielle Photodynamische Therapie ( aPDT ) als minimalinvasive adjuvante Parodontitis- und Periimplantitistherapie und als Prophylaxe" wurde von Dr. Tilmann Eberhard, niedergelassener Zahnarzt aus Schwäbisch Gmünd besprochen, der diese Thematik in seiner Masterarbeit Implantologie erarbeitet hat und nun einen sehr praxistauglichen Forschungsbericht abgab. Spannend war, wie er seine Arbeit in der eigenen Praxis umgesetzt hat.

Nach einem Überblick über die konventionellen Behandlungsmethoden der Parodontitis wurde die aPDT in Theorie und Praxis erklärt, ein Behandlungskonzept mit dieser neuen Methode erläutert und an Hand von Videoclips   der klinische Ablauf demonstriert. Es schlossen sich die Ergebnisse einer Praxisstudie an, in der der Referent 70 Patienten mit langer parodontologischer Vorgeschichte (durchschnittlich 14 Jahre), mit chronischer oder aggressiver Parodontitis bzw. Periimplantitis über 2 Jahre zusätzlich mit aPDT therapierte und die mikrobiologischen und klinischen Ergebnisse dokumentierte. Die zusätzliche Anwendung der aPDT führte zu einem sehr starken Rückgang der parodontalen Markerkeime, der bereits eine Woche nach der Therapie festgestellt wurde. Auch nach einem halben Jahr war die Bakterienreduktion noch nachweisbar, allerdings je nach Bakterienart,  in unterschiedlicher Größe. Die durchschnittliche Sondierungstiefe (STI) aller Parodontien nahm im Verlauf der Therapie deutlich ab. Die Anzahl der erkrankten Taschen (ab 4mm) ging um 85 % zurück, die Blutungsneigung sank auf 1/3 des ursprünglichen Wertes. Bei einzelnen therapieresistenten Fällen einer aggressiven Parodontitis wurden nach einer einwöchigen Antibiose nach Winkelhoff mit zusätzlicher aPDT die gleichen guten Ergebnisse erzielt.  Alle klinischen Daten konnten durch halbjährliches Recall bei gleichzeitiger PZR und aPDT auf niedrigem Niveau konstant gehalten werden. Es empfiehlt sich aber bei Periimplantitis - Fällen ein 3 bis 4 - monatliches Recall.  Die zusätzliche aPDT erweist sich als hocheffektive minimalinvasive Zusatztherapie ohne Nebenwirkungen. Prophylaktisch eingesetzt kann aPDT daher in fast allen Fällen Rezidive sicher verhindern.

Zum Thema "Grenzen der lokalen Antibiose" hielt Herr PD Dr. Gregor Petersilka , niedergelassener Zahnarzt in Würzburg, ein sehr umfassenden und spannenden Vortrag, der dazu angetan war, Hoffnungen und Wünsche auf lokale antimikrobielle Behandlungsmöglichkeiten zu dämpfen, gleichzeitig aber auch wissenschaftlichen Stand und Grundwissen zu diesem Thema zu vermittelt. Parodontitiden sind chronisch-destruktiv verlaufende, bakterielle Infektionserkrankungen des Zahnhalteapparates, die sich durch Abbau von Bindegewebe und Alveolarknochen kennzeichnen. Die die Erkrankung verursachende Mikroflora bildet einen bis zu mehrere hundert Mikrometer dicken Biofilm der aus etwa 10-25% Volumenprozent Bakterienzellen und bis zu 90% extrazellulären Matrixpolisacchariden und Proteinen besteht. Diese Polysaccharidschicht nimmt durch die chemische Zusammensetzung und Tertiärstruktur der Moleküle eine wichtige mechanische Schutz- und Stabilisierungsfunktion für die Mikroorganismen ein. So ist die Resistenz im Biofilm befindlicher Bakterien gegenüber Antibiotika im Vergleich zur matrixfreien planktonischen Phase 500- bis 1500-fach höher.

Wie bei der systemischen Antibiotikatherapie ist auch das Ziel der lokalen antimikrobiellen Therapie eine größere Keimreduktion, die eben durch alleinige mechanische Therapie nicht erreicht wird. Neben Antibiotika können hierfür auch Antiseptika ( z.B. Chlorhexidingluconat) verwendet werden. Um eine effiziente Wirkung zu erreichen, muß aber wie bei der systemischen Antibiotikagabe unmittelbar vor Wirkstoffapplikation der Biofilm mechanisch zerstört werden. In der parodontalen Tasche unterliegen Pharmaka einer Clearance: Das geringe Gesamtvolumen einer etwa 5mm tiefen Tasche von ca. 5 µl wird durch kontinuierliche Erneuerung des Sulkusfluid über vierzig mal innerhalb einer Stunde ausgetauscht. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg ist daher auch die Substantivität, d.h. die Fähigkeit des Wirkstoffes, in Konzentrationen über der MHK in der Tasche zu verbleiben. Daher müssen antimikrobiell wirksame Substanzen an Trägersysteme, z. B. in der Tasche aushärtende Gele, gebunden werden. So wird der Wirkstoffabbau verlangsamt oder der Wirkstoff wird kontrolliert abgeben. Eine alleinige Spülung der Tasche mit Antiseptika ohne Trägersubstanz hat keine relevante Wirkung, denn die  Wirkstoffkonzentration sinkt rasch unter die MHK. Gegenüber der systemischen Antibiotikatherapie wird bei lokaler Applikation eine hohe Konzentration des antimikrobiellen Wirkstoffes erreicht, ohne den gesamten Organismus des Patienten durch das Medikament zu belasten. Dadurch sind Nebenwirkungen sehr gering. Ökologische Nischen für pathogene Keime außerhalb der Taschen, wie z. B. Tonsillen oder Mukosa, werden nicht erreicht,  auch  Resistenzbildungen sind prinzipiell möglich. Studien zeigen jedoch, dass sechs Monate nach der Therapie in subgingivaler Plaque keine resistenten Keime gefunden wurden. Ein Nachteil besteht darin, dass die Applikation der Wirkstoffe je nach Trägersystem zeitintensiv ist. Lokale antimikrobielle Substanzen lassen sich in Systeme mit anhaltender Abgabe ("sustained delivery") und kontrollierter Abgabe ("controlled delivery") unterteilen. Im Einzelnen sind das folgende Präparatesysteme:

1. Metronidazolgelpräparat (Elyzol)
Ein biokompatibles, das Antibiotikum Metronidazol enthaltende Gel, das unter Feuchtigkeitszutritt in der parodontalen Tasche aushärtet und so für eine anhaltende Antibiotikaabgabe sorgen soll. Das Gel wird im gebrauchsfertigen Zustand direkt aus einer Applikationsspritze in die Tasche eingebracht. Nach Einbringen in die Tasche kommt es zu einer exponentiellen Abnahme der Metronidazolkonzentration, nach 24 Stunden ist die MHK meist unterschritten. Daher ist eine zweite Gelapplikation sieben Tage nach Erstanwendung nötig.

2. Minocyclinpräparat (Arestin),
dessen Wirkung auf der Einkapselung des Antibiotikums Minocyclin in ein bioadhäsives, resorbierbares  Polymer, sog. "Microsphären" beruht. Durch das Trägersystem wird eine kontrollierte Abgabe des Wirkstoffes über der MHK für mehr als 14 Tage gewährleistet. Die Applikation erfolgt durch Einbringen des gebrauchsfertigen Gels in die Tasche.

3. Chlorhexidinpräparat (Periochip)
Es handelt es sich um einen 4 x 5 x 0,35 mm großen, 2,5 mg Chlorhexidin enthaltenden Gelatinechip. Dieser wird, ggf. auch unter Beschneiden, in die Tasche eingebracht. Innerhalb der ersten 24 Stunden in situ werden etwa 40% des enthaltenen Chlorhexidins abgegeben, danach erfolgt eine kontrollierte Wirkstoffabgabe über einen Zeitraum von einer Woche. Eine Besonderheit des PerioChip besteht in der Verwendung von Chlorhexidin als Wirkstoff, das im Vergleich zu Antibiotika ein geringeres Nebenwirkungspotential aufweist.

Mikrobiologische Untersuchungen zeigen, dass die Keimreduktion nach adjuvanter lokaler antimikrobieller Therapie gegenüber der rein mechanischen Therapie erhöht ist. Aber die alleinige Anwendung der Wirkstoffe als Monotherapie ist der Kürettage nicht überlegen. Klinische Studien zeigen für die lokale antimikrobielle Therapie signifikant stärker ausgeprägte Reduktionen der Taschensondierungstiefen (Mittelwert: 0,06 bis 0,35 mm Unterschied) und signifikant höhere Attachmentgewinne (Mittelwert: 0,07 bis 0,39 mm Unterschied) als nach alleiniger Kürettage

Daraus ergeben sich folgende Anwendungsempfehlungen und Indikationen: Es sollen Präparate verwendet werden, die eine hohe Wirksamkeit des Wirkstoffes mit einer kontrollierten Freisetzungskinetik verbinden. Die lokale Applikation ist vornehmlich für die Behandlung einzelner Defekte indiziert, die in der Nachsorgephase der Parodontitistherapie nach Ausschöpfung aller konventionellen nichtchirurgischen und chirurgischen Maßnahmen und guter Mundhygiene des Patienten Anzeichen für eine weitere Progredienz von Attachmentverlusten aufweisen. Ob die lokale antimikrobielle Therapie tatsächlich ein Ersatz für eine systemische Antibiotikagabe ist, muss noch bewiesen werden.

Das breite Themenspektrum der Tagung erfuhr durch den Vortrag von Professor Dr. Thorsten Remmerbach und Zahnarzt Jan Liese , der auch das Thema abhandelte, eine ganz spezielle Vertiefung;  "Bürstenbiopsie - eine neue Dimension zur Früherkennung des Plattenepithelkarzinoms?"

In Deutschland erkranken jährlich 4100 Menschen neu an Malignomen der Mundhöhle. Die fünf Jahre Überlebensrate beträgt 50%. Es besteht steigende Inzidenz bei Frauen. WHO - Definition oraler prämaligner Läsionen: Ein erkennbar verändertes Gewebe, in dem Krebs mit Wahrscheinlichkeit entsteht.

Der Referent ging auf präkanzeröse Bedingungen ein, wie Lues, orale submuköse Fibrose, Cheilitis, Lichen planus, Lupus erythematodes, Xeroderma pigmentosa, Epidermolysis und Leukoplakie. Intensivere Besprechung der Leukoplakie folgte. Nicht jede Leukoplakie ist prämalign. Erst die Histologie kann einen Verdacht auf definitive Leukoplakie bestätigen. Das klinische Erscheinungsbild erlaubt keine sichere Prognose und Risikoeinschätzung. Enorme Wichtigkeit hat in der Zahnarztpraxis die Prävention zur Verhinderung maligner Erkrankungen.

Primäre Prävention: Senkung von Tabak- und Alkoholgenuss, Verbesserung der Mundhygiene. Sekundäre Prävention: Effektive Früherkennung primärer Läsionen. Diagnostische Methoden der sekundären Prävention:

  1. Anamnese, Risikofaktoren erkennen und beseitigen, gründliche Inspektion der Mundhöhle Palpation der Weichteile
  2. Bürstenabstrich

Durch Bürstung (5x mit 5 Bürsten) in der Tiefe des Gewebes Gewinnung von Zellen aller Epithelschichten. Das ist eine gering invasive Methode. Die Bürsten müssen sofort auf einem Objektträger ausgestrichen und der Ausstrich fixiert werden. Die Beurteilung soll durch einen Zytologen erfolgen, der mit der Methode vertraut ist. Der zytologische Befund muss lauten:  sicher negativ oder ohne sicheren Nachweis oder mit sicherem Nachweis. Die Erkennung von Karzinomen der Mundschleimhaut erfolgt mit dieser Methode mit 95% Spezifität und 95% Sensitivität.

Die Bürstenbiopsie ist nicht geeignet bei:

  1. stark keratinisierten Bereichen
  2. Rezidiven
  3. Lippenkarzinomen

Die Analyse des DNA - Gehaltes steigert Treffsicherheit zur Identifizierung maligner Zellen. Jede "positive" Bürstenbiopsie verlangt eine nachfolgende Biopsie. Quintessenz des Vortrages: Früherkennung ist Prophylaxe und damit präventive Strategie.

Ein Vortrag, der äußerst praxisnah angelegt war und vor allem wohl auch die zahnärztlichen Mitarbeiterinnen besonders ansprach, wurde von Professor Dr. H.-G. Schneider aus Berlin gehalten. Thema: "Die Keimreduktion durch Ozon".

Die Ozontherapie ist eine Leistung auf Verlangen, und wenn der Patient dem zahnärztliche Rat folgen soll und sich einer Ozonbehandlung unterziehen will, dann muss er hinreichend instruiert und motiviert werden. Das ist insoweit besonders wichtig,  da der Begriff Ozon negativ belegt ist und in der öffentlichen Meinung Ozon als etwas sehr gefährliches betrachtet wird.

Daher stehen der Motivation zur Ozonbehandlung die so genannten Ozonwarnungen entgegen, die bei Inversionswetterlagen durch die Medien verbreitet werden, so dass Aversionen der Patienten verständlich sind. Andererseits wird in den Medien auch über die durch Fluorchlorwasserstoffe ausgelöste Ozonzerstörung in der Atmosphäre als Gefahr für die gesamte Menschheit berichtet. Der Patient befindet sich also im Widerstreit hinsichtlich der Nützlichkeit bzw. Gefährlichkeit des Ozons.

Der Vortrag griff diese Zweifel auf und zeigte, dass die o. g. Sachverhalte als Folge der Industrialisierung einzuordnen sind. Ozon ist ein Naturprodukt, das durch die UV-Strahlen der Sonne in den hohen Schichten der Erdatmosphäre entsteht ( 3 Mio. t pro Tag ) und dort die Ozonschicht als Strahlungsfilter zum Schutz der Lebens auf der Erde bildet. Eine zweite natürliche Quelle der Ozonbildung sind die Blitze, von denen pro Jahr über 3 Milliarden auf unserer Erde erzeugt werden. Der Vortrag ging dann auf d i e Geräte ein, mit denen es möglich ist, Ozon in kleinen Mengen in solchen Konzentrationen zu erzeugen, dass Bakterien, Viren und Pilzsporen geschädigt bzw. abgetötet werden, ohne dabei die Vitalität menschlicher Zellen zu gefährden. Ozonbehandlung ist also eine oxidative Zerstörung ohne Nebenwirkung.

Auf dem Dentalmarkt haben sich Ozonerzeuger durchgesetzt, deren Plasmalampen eine dielektrisch behinderte Entladung (sog. stille Entladung ) generieren. Neben der Erzeugung von Sauerstoff im statu nascendi ( atomaren S. ) wird auch ein elektro-magnetisches Feld mit therapeutischem Effekt gebildet. Weitere Hinweise zum Thema sind unter www.o3-dental.de zu finden.  Der Vortrag war sehr prägnant und praxisbezogen, bei gleichzeitiger Präsentation des Gerätes, so dass außerordentliches Interesse nach dem Praxiseinsatz geweckt wurde. Der Referent konnte aus der eigenen Praxis einen Erfahrungsbericht geben und Hinweise zur Abrechnung rundeten den Vortrag ab.

Der letzte Vortrag der Tagung wurde noch einmal von PD Dr. Gregor Petersilka gehalten. "Clinpro - Pulver: Neue Möglichkeiten der Prophylaxe". Der Referent wollte es allgemeiner halten, und hatte das spezielle Thema eingebettet in ein Übersichtsreferat "Luft - Pulver - Wasserstrahlgeräte in der PA - Therapie"

Bei Luft-Pulver-Wasserstrahlgeräten (LPW) wird ein Gemisch aus Druckluft, Wasser und kristallinen Festkörpern in Pulverform zur Entfernung des Biofilms auf die Zahnoberfläche beschleunigt. Ãœblicherweise kommen als Abrasivmedien Natriumbikarbonatkristalle von Korngrößen über 250 µm zur Verwendung. Die Entfernung von Biofilm und Zahnverfärbungen mit Hilfe von LPW-Geräten entsteht durch die mechanische Einwirkung der Abrasivkörper auf die Oberfläche. Der Substanzabtrag wird stark beeinflusst durch die Größe und Form der Abrasivkristalle, den Luftdruck und die Wassermenge.

Konventionelle LPW haben sich als effizient und unproblematisch zur Biofilmentfernung auf Schmelzoberflächen erwiesen. Wird der Abrasivstrahl jedoch auf freiliegende Dentinoberflächen gerichtet, kommt es innerhalb von 30 s Anwendungszeit zu klinisch relevanten Substanzabträgen von über 650 µm. Daher ist die Anwendung konventioneller LPW auf Wurzeloberflächen oder freiliegendes Dentin kontraindiziert. Eine subgingivale Anwendung konventioneller LPW in der Parodontologie verbietet sich damit bisher sowohl wegen des hohen Dentinabtrages als auch wegen der Traumatisierung der Gingiva durch den hochabrasiven Luft-Pulver-Wasserstrahl.

Die derzeit verfügbaren Instrumente zur Wurzeloberflächenbearbeitung erlauben einerseits erfolgreiche Behandlung der Erkrankung, beinhalten jedoch einige Probleme, wie z. B. Techniksensitivität, hohen Zeitaufwand und die Gefahr irreversibler Wurzelschädigung. Die Entfernung des Biofilms wäre mit LPW einfach und hoch effizient, ist jedoch wegen des dabei resultierenden großen Abtrages von Dentin durch das Natriumbicarbonatpulver , dass das Debridement von der Wurzeloberflächen entfernen soll, kontraindiziert. Darüber hinaus würde eine LPW -  Behandlung in gingivanahen Zahnbereichen mit konventionellen Pulvern wegen des Weichgewebstraumas als extrem unangenehm vom Patienten empfunden werden

Eine effiziente, schmerzfreie und wurzelschonende Biofilmentfernung, auch subgingival bis zu einer Taschentiefe von 5 mm ist mittlerweile aber unter Verwendung eines niedrigabrasiven Strahlmittels möglich. Unter dem Handelsnamen "ClinPro Prophypowder" (Hersteller: 3M ESPE, Seefeld) wird ein Pulver aus Salz der Aminosäure Glycin vertrieben. Dieses Pulver weist geringe Korngrößen (< 63 µm) auf und kann bei adäquater Handhabung und Indikationsstellung auch problemlos subgingival angewandt werden, da es toxikologisch unbedenklich und wasserlöslich ist.

In klinisch kontrollierten Studien konnte durch subgingivales Pulverstrahlen mit Glycinpulver bei deutlich angenehmerer Anwendung für die Patienten eine signifikant höhere Reduktion subgingivaler Bakterienmengen im Vergleich zur Handinstrumentierung bis zu einer Taschentiefe von 5 mm erreicht werden. Wichtig ist hierbei aber die Einhaltung der Indikation (Patienten in der Nachsorgephase der Parodontitistherapie) und richtige Anwendungstechnik.

Das neue Behandlungsverfahren erweist sich am Patienten seit Abschluss der zentralen Entwicklungsarbeiten am neuen Pulver im Jahr 2000 als prinzipiell sicher. Dennoch kann grundsätzlich die Gefahr des Auftretens von Luftemphysemen bei Verwendung druckluftbetriebener Instrumente nicht völlig ausgeschlossen werden. Interessant hierbei ist, dass eine vorausgegangene Traumatisierung des Attachmentapparates das Risiko eines Emphysems zu steigern scheint. Beispielsweise werden Luftemphyseme öfter nach Applikation von Retraktionsfäden bei Zahnpräparation und nachfolgendem Ausblasen des Sulkus mit der Luft-Wasserspritze vor Abdrucknahme beschrieben.

Das Risiko eines Luftemphysems unter Verwendung von Glycinpulver ist jedoch aufgrund dessen gering traumatisierender Wirkung gegenüber konventioneller LPW enorm reduziert. Gerade wenn die niedrigabrasive Pulvertstrahltechnik in der Nachsorgephase angewandt wird, kann davon ausgegangen werden, dass der supraalveoläre Faserapparat an den zu behandelnden Zähnen weitgehend intakt bleibt.

Zurück