20. Workshop 17./18. November 2023 - Beilngries

Teil 1: Freitag, 17. November 2023

Wie in der Vergangenheit immer eröffnete der Vereinsvorsitzende von Zukunft Prophylaxe, Dr. Friedrich Grelle, den Workshop mit der einen oder anderen Anekdote aus dem vergangenen Jahr. Freilich fehlte auch der Hinweis nicht, dass der Workshop in diesem Jahr ein ganz besonderer ist, anlässlich der Vereinsgründung vor 30 Jahren.

Alsbald startete der Workshop mit dem Vortrag „Schwangere Patientinnen in der Zahnarztpraxis“ von Frau Prof. Thea Rott, M.Sc. medias in res. Um dieses Thema ranken sich zahlreiche Mythen und sichergeglaubte „Fehleinschätzungen“, denen Frau Professor Rott in ihrem zweieinhalbstündigen Vortrag auf den wissenschaftlichen Grund ging. Zunächst wurden die physiologischen Änderungen im Körper der Mutter auf hormoneller und anatomischer Ebene erläutert und erklärt, was dies für die Behandlung der werdenden Mutter bedeutet. Auch häufige zahnmedizinische Erkrankungen wie Gingivitis und Parodontitis wurden besprochen. Erhöhte Inzidenz von Karies tritt aufgrund der Hyperemesis Gravidarum, Reflux und der mütterlichen Kompensation mittels Süßigkeiten auf.

Wertvolle Hinweise, wie man zahnärztliche Therapie in der Schwangerschaft plant und terminiert, rundeten den praktischen Aspekt des Vortrages ab. Grundsätzlich unterscheidet sich die Behandlung von Schwangeren nicht wesentlich von der von Nicht-Schwangeren. Im Fokus muss der Erhalt bzw. die Wiederherstellung der Mundgesundheit stehen. Wichtig ist jedoch ebenfalls, dass das Team ein verfügbarer Ansprechpartner für die Schwangere ist, um bei Fragestellungen und Problemen zu
beraten.

Den Abschluss des sehr interessanten Vortrages bildeten mehrere Fälle, die vorgestellt und in Zusammenarbeit mit den Teilnehmern besprochen und gelöst wurden. Hierbei betonte die Referentin mehrfach, dass die Zusammenarbeit und der Kontakt mit dem behandelnden Gynäkologen sehr wichtig ist.

Anschließend erfolgte für die Mitglieder des Vereins Zukunft Prophylaxe die jährliche Mitgliederversammlung. In dieser wurden nach Begrüßung durch den Präsidenten Dr. Grelle zunächst der Vortrag des Protokolls der letzten Mitgliederversammlung samt Genehmigung, die Berichte des Vorstandes, des Kassenwartes und abschließend der Kassenprüfer vorgestellt. Es erfolgte die Entlastung des Vorstandes. Insgesamt konnte der Vorstand auf ein gutes Jahr zurückblicken. Die Mitgliederzahlen blieben weitgehend stabil, die Kassenlage ist nach wie vor recht solide. Mit dem neuen Format „Zukunft Prophylaxe im Gespräch mit…“ konnte der Grundstein für eine erfolgreiche Vortragsreihe gelegt werden.

Im Anschluss an die Mitgliederversammlung stand eine Führung durch die lokale Brauerei Schattenhofer mit anschließender Verkostung eines Erzeugnisses auf dem Programm. Braumeister Dominik Kraft führte höchstpersönlich durch die Räumlichkeiten und erläuterte ausführlich den Herstellungsprozess des Bieres. Die Führung kam bei dem Auditorium sehr gut an. Der Abend des ersten Workshoptages klang mit einem gemeinsamen Abendessen mit vielen interessanten Gesprächen aus, die standhaften Teilnehmer genehmigten sich im Anschluss in der hoteleigenen Bar ein edles Tröpfchen.

Teil 2: Samstag, 18. November 2023

Der zweite Tag des Workshops startete traditionell mit dem Lauftreff, bei dem sich der harte Kern wie auch schon in den vergangenen Jahren ein paar zusätzliche Mitläufer wünschte.

Nach dem gemeinsamen Frühstück eröffnete Professor Dr. Noack mit dem Vortrag „Prävention und Therapie des erhöhten Wurzelkariesrisikos nach Parodontaltherapie" den Vortragsreigen des zweiten Tages. Eine besonders empfindliche Stelle beim parodontal geschädigten Gebiss stellt die exponierte Wurzeloberfläche dar. Diese wird bereits bei einem pH von 6,0-6,8 demineralisiert, während der Schmelz erst bei einem pH von unter 5,5 – 5,7 demineralisiert wird. Mit steigendem Alter wird typischerweise mehr Wurzeldentin exponiert, dennoch sind die Zahlen erfreulicherweise bei den jüngeren Senioren rückläufig.

Eine zentrale Rolle spielen die Mutans-Streptokokken, die gehäuft nach PA Therapie und während des Recalls auftreten. Die Taschentiefe korreliert mit der Frequenz der Wurzelkaries. Durch Anwendung verschiedener Spüllösungen lässt sich ein Benefit erwirken. Aktuell wird in den ersten 6 Monaten nach PA Therapie eine Kombination aus Chlorhexidin in den ersten 2 Monaten und Aminfluorid und Zinnfluorid für die anschließenden 4 Monate empfohlen, um die Kariesinzidenz zu senken. So wirken sich Mundhygieneinstruktionen, Fluoride, CHX, eine Diätberatung, professionelles Zähneputzen und professionelle Zahnreinigung präventiv aus.

Die besten Erfolge verzeichnet die Erhöhung der Fluoriddosis zusammen mit Instruktionen zur Mundhygiene von einer Fachkraft (DH). Darüber hinaus wurden neuere Wirkstoffe wie Hydroxylapatit, Arginin, L-Arginin, Pro-Arginin-Technologie im wissenschaftlichen Kontext beleuchtet. Inwieweit die nichtinvasive Behandlung bei Patienten mit reduziertem AZ und limitierter Prognose eine alternative Therapiemöglichkeit darstellt, behandelte Herr Professor Noack.

Im Anschluss daran zeigte er Grundpfeiler einer bedarfsorientierten dentalen Betreuung abhängig vom Allgemeinzustand des Patienten. Eine Vielzahl von Medikamenten kann Mundtrockenheit verursachen, welche einen Einfluss auf die Kariesinzidenz hat. Studien zeigen, dass auch selbständige Bewohner eines Seniorenheims Unterstützung bei der Zahnpflege benötigen. Und selbst mit Unterstützung ist eine zahnmedizinische Betreuungslücke zu verzeichnen, die mit steigendem Pflegeaufwand immer größer wird.

Zusammenfassend muss eine Plaquekontrolle erfolgen, durch den älteren Menschen selbst, oder als Dienstleistung. Zähneputzen unter professioneller Anleitung sollte idealerweise einmal wöchentlich erfolgen, bedarfsorientiert alle 2-3 Wochen. Fluoride sollten 2x täglich verabreicht werden, Silberdiaminfluoride ebenso, bei Speichelmangel können CHX und Mundspüllösungen eingesetzt werden, wichtig ist eine Diätberatung zur Senkung der Zuckerfrequenz. Es besteht bei der Wurzelkaries ein erheblicher ungedeckter Bedarf an zahnmedizinischen Leistungen, wie etwa minimalinvasive Kariesversiegelung. Komposite und Adhäsive sind Glasionomerzementen überlegen.

Professor Dr. Johannes Einwag sorgte mit seinem Vortrag „30 Jahre Prophylaxe – Tops und Flops“, der als Festvortrag zum Jubiläum geplant war, für einen furiosen Abschluss des diesjährigen Workshops. Gewohnt kurzweilig und mit vielen Anekdoten und denkwürdigen Geschichten aus der Vergangenheit der gut vernetzten Prophylaxegruppen führte Professor Einwag durch die dreißigjährige Geschichte des Vereins.

Er erinnerte an die ersten Mundgesundheitsstudien von 1989 und 1992 und die sehr ermutigende Entwicklung des Kariesrückgangs seitdem. Auch der ursprünglich visionäre Vereinsname „Prophylaxe 2000“, der zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich in Jahr 2000, drohte, veraltet zu wirken, kam natürlich zur Sprache. Herzliche Glückwünsche von der eazf, mit der der Verein eng zusammenarbeitet, durften nicht fehlen.

Professor Einwag führte die Zuhörer durch die unterschiedlichen Lehrmeinungen, Plaquehypothesen und sicher geglaubten Irrtümer. Auch die gewohnten „Richtig oder Falsch“ Fragen und das interessante „Top oder Flop“ unter Einbeziehung des Auditoriums durften hier nicht fehlen. So stellt er etwa einen weitverbreiteten Irrtum richtig, nämlich dieser, dass Schwangere mit einer unbehandelten Parodontitis deshalb ein höheres Risiko für Frühgeburten hätten. Dies ist nicht richtig, lediglich das Risiko des Zahnverlustes bei der werdenden Mutter ist eben höher. Kurz wurde auch die periodisch aufflammende Fluoridthematik gestreift und im Kontext der Studienlage beleuchtet. Professor Einwag ging auf die aktuellen Leitlinien in der Prophylaxe ausführlich ein, ordnete auf wissenschaftlicher Basis die Leistungsfähigkeit diverser Geräte, welche in diesem Fach verwendet werden, ein und gab zu jedem Kapitel eine prägnant zusammengefasste Take Home Message.

Abschließend erging an die Teilnehmer des Jubiläumsworkshops eine herzliche Einladung zur Veranstaltung „Zukunft Prophylaxe im Gespräch mit PD Christoph Ramseier: Parodontologie – state oft the art. Personalisierte parodontale Betreuung im Zeichen von KI oder ChatGPT und Co“, die am 02.03.24 im Seminargebäude der eazf in München stattfindet und zum 21. Workshop in Beilngries am 15. Und 16. November 2024. Ein gemeinsamer Mittagsimbiss rundete den gelungenen Workshop ab.

Zurück